‚Toll!‘
Müller Milch versucht sich an der heilen Familie (bzw. einer Art der gewissen Sottise darüber) – und schafft es dabei in einem kurzen Spot gleich zwei Clichés auf einmal zu perpetuieren (Friedfertig- und Gewalttätigkeit):
Kind (wohl mutterfixiert) zeigt Mutti das neue Tattoo
Mutter (Typ H. Clinton) droht mit Vati und statuiert:
Reimen tut sich das ganze bei „Müller-Milch“ (die macht’s?) i.Ü. höchst monoton eingängig:
„Hör mal liebe Mami. Ich habe mich tätowiert.
Dann zeigs doch gleich dem Papi. Der dir dann eine schmiert.“
Mmh, wer ist denn da nun der friedfertige Part in dieser Werbe-Familie bzw. schickt einen anderen Menschen vor – oder spannt diesen für eventuelle Gewaltansätze ein? Die „heilige deutsche Mutter“ etwa?
Natürlich haut Mami nicht aktiv und selbst zu,
– dass soll dann doch besser der Papi machen.
Und ich hatte schon geglaubt, die Werbung wäre mittlerweile etwas weiter.
Update – Es scheint nicht nur in Deutschland Widerstand gegen diesen Spot zu geben. In Österreich hat man zwischenzeitlich den Werberat eingeschaltet:
„… in diesem Spot wird die „gsunde Watschn“ als Strafe angedroht. jemandem „eine schmieren“ ist eine klare Verletzung der Integrität und körperlichen Unversehrtheit, in diesem Fall einem jugendlichen Kind angedroht! Fragwürdige Botschaft und gefährliche Verharmlosung von Gewalt an Kindern. http://www.youtube.com/watch?v=nbZg81I0fyg und das ganze soll dann auch noch „lustig gekontert“ sein. mit einer Ohrfeige? ..“
Die Antwort des Werberates kann man hier lesen: Beschwerdemail
Kurzgefasst: „.. Der Österreichische Werberat spricht im Falle des beanstandeten TV-Spots Müller Joghurt, die Aufforderung in Zukunft bei der Gestaltung von Werbemaßnahmen oder einzelner Sujets sensibler vorzugehen aus [..]
Hinweis: Eine nicht unerhebliche Anzahl der Werberäte und Werberätinnen sah in dem beanstandeten Werbespot die Aufforderung zum sofortigen Stopp der Kampagne bzw. sofortigen Spotwechsel gegeben, weshalb die Geschäftsstelle des Werberates dringend zu einer Änderung des Spots rät.„
Immerhin & wenigstens etwas, denn in ’schland sieht der Werberat es wohl etwas anders: „Dank der gesungenen Dialoge in Reimform erhält jede Nachricht eine souveräne Leichtigkeit. Die Spots sollen vor allem Spaß machen und eine große Portion gute Laune in den Alltag bringen. Selbstverständlich wollen wir damit in keinster Weise körperliche Gewalt propagieren oder verherrlichen.“ (Quelle: Terre des femmes)
Ja, denn „gute Laune verbreiten“ kann man wohl am besten, wenn the Beauty zum Biest wird und Papi als Schläger dargestellt werden darf. Eine „souveräne Leichtigkeit“ eben, die Mutti aus allem heraushält. Ich hoffe, nebenbei bemerkt, dass Terre des Femmes genauso engagiert vorgeht, wenn es um Jungs geht …
Hätt‘ ich auch gedacht … :)
Ich frag mich auch was die Motivation dahinter ist? Finden Frauen es in der Mehrheit gut wenn Männer als Gewaltäter dargestellt werden und Sie selbst als perfekt? Und da Frauen ja weit mehr als 50% aller Kaufentscheidungen treffen, wird die Werbung eben so gemacht und die Männer, wegen geringerer Relevanz als Konsumenten, müssen als Bauernopfer herhalten.
Tja, Matze, was ist das Motiv?
Ich denke, dass es ein selbstreferenzielles ist: Werbung spiegelt das Denken in der Bevölkerung wi(e)der und die Konsumenten ‚ernähren‘ sich von eben dieser Reklame und fühlen sich in ihrer Meinung bestätigt.
So kann man sich ’schön‘ im Kreis drehen und keinen Ausgang finden.
HamsterInnenräder eben …
Ich verstehe das Problem mit diesem Spot genauso wenig wie mit dem „verschwitzte Männer“ Spot von Nivea protect irgendwas.
Beides hat meiner Meinung nach durchaus einen humoristischen Charakter.
Wirklich schrecklich finde ich den Spot, bei dem der Typ versucht, sich und seiner Freundin HD einzurichten und sie die dumme hilflose spielt.. Genau solche Frauen kenn ich leider zu Genüge und es nervt, dass damit den jungen Mädels gezeigt wird, dass sie so ihre Ziele erreichen.
Nachtrag:
Ich meinte den RTL HD Werbespot, der wohl seit 5 Tagen nicht mehr ausgestrahlt wird. Leider finde ich ihn nicht als Video auf einer der einschlägigen Plattformen.
Infos hier: http://www.xad.de/307677_rtl-group-rtl-hd.html
Grundsätzlich gebe ich dir recht, Adler. Man sollte im übrigen nicht diese verbiesterte ‚Bierernsthaftigkeit‘ des Feminismus oder den einer s.g. PC (political correctness) übernehmen.
Andererseits zeigst du ja mit dem von dir genannten Beispiel auf, dass genau dieses in der Werbung und in seiner sublimsten Form passiert.
Und da, denke ich, sollte man schon mal hinter den Vorhang schauen bzw. aufzeigen, wie die Mechanismen laufen. Und in dieser Hinsicht sind sowohl die Nivea-Spots, als auch der aktuelle von Müller recht subtil.
Brachialer läuft es allerdings und z.T. in Katalogen:
„Das schöne daran ist, dass man so toll darauf herumtrampeln kann“
(es ging um den Vergleich zu Männern, die wie Parkett-Böden sind).
Das sollte wohl ‚witzig‘ sein.
Klasse – und sorry für die längere Freischaltdauer.
„Akismet“ (WordPress) meinte, dass das Spam wäre.
Ich finde die Werbung gut.
Die Mutter geht den anderen Familienmitgliedern auf den Wecker. Die Tochter macht etwas, um die Mutter zu ärgern. Die weiß sich nicht anders zu helfen, als das abzuziehen, was so viele Zuschauer aus ihrer eigenen Familie kennen.
Dieser Werbespot bleibt in Erinnerung. Viele Familien sprechen darüber, weil sie bemerken, dass es genau ihre Situation wiedergibt.
Aha – Mutti nervt, Kind provoziert – und Vati haut?
Das sind also die widergespiegelten Paradigmen, welche jeder, deiner Meinung nach, kennt und verinnerlicht hat? So kann man natürlich auch versuchen, Meinungen in den Köpfen zu zementieren …
Nicht jeder kennt so etwas, aber verdammt viele. Ich habe es so erlebt, und ich habe es von vielen anderen so berichtet bekommen.
Die Werbung ist übrigens genau an der Klippe. Die Mutter hat nicht den Vater explizit aufgefordert, der Tochter eine zu schmieren. Und der Vater hat es noch nicht getan. Die Werbung ist nicht lustig. Sie ist verdammt ernst.
@Sekretservice: Danke für deine erläuternden Ergänzungen
Eine misslungene Werbung, denn sie läßt mich etwas verstört zurück.
– Die Tochter ist durchaus hübsch (die Schauspielerin sieht allerdings etwas zu alt aus, um noch zu Hause zu wohnen), aber die Art, ihre Tätowierung zu zeigen, ist doch sehr provokativ. Also attraktiv, aber schlechte Manieren.
– Dass die Mutter keine andere Antwort hat als Gewalt anzudrohen, spricht nicht für sie. Es wirkt natürlich kalkuliert erschreckend, dass aus dem Kreis der „heilen Familie“, die brav am Frühstückstisch sitzt, die Gewalt ausgeht, während die „rockig“ angezogene Tochter das Opfer ist.
– Der Mann bleibt während der gesamten Aktion passiv; er reagiert auch eher unangenehm berührt darauf, hier von der Mutter wie Verfügungsmasse eingespannt zu werden. Er hat auch anscheinend gar nichts zu sagen in der Familie, was sich ja allein schon aus der Provokation der Tochter ergibt, die sich an die Mutter richtet.
– Die ganze Szene – Gewalt in der Familie ist lustig, die freche Tochter kann schon mit einem Wortspiel als „so ein Früchtchen“ bezeichnet werden, der man „eine schmiert“ müsste eigentlich als gewaltverharmlosend verdammt werden.
– Bonusfrage: Was wohl den anderen Personen am Tisch passiert, wenn sie mal etwas machen, das der Mutter nicht gefällt?
Insofern könnte man den Spot auch für ein Anti-Gewalttelefon verwenden. Die Geschichte passt ja wunderbar: Eine Person benimmt sich ein wenig frech, schon ist gleich Gewalt oder deren Androhung auf der Tagesordnung. Es gab doch einen Spot, wo eine Frau Kaffee verschüttet und der Mann sie vor Wut durchs Haus jagt. Da ist man gar nicht so weit voneinander entfernt.
Gute Analyse @Graublau. Eine, der man nicht widersprechen kann, wie ich finde. Das der Vater so ungerührt sitzen blieb (bzw. danach ‚ausgeblendet‘ wurde) ist auch ein interessanter Aspekt, welcher mir beim Betrachten des Spots u.a. auffiel.
Klasse, dass du das noch mal hervorgehoben hast – und auf die Gewalt von Müttern analytisch eingangen bist.
Der einzige Sinn der provokanten „Gewalt-Vorhersage“ ist es im Kopf des Konsumenten hängen zu bleiben.
Bei der Diskussion hier würde ich sagen es hat bestens funktioniert.
Ich find die Werbung übrigens lustig. Ich und meine verlobte haben laut gelacht als wir sie das erste mal gesehen haben. Das passiert echt selten.
Jede Analyse die über das „im Gedächtnis bleiben“ der Werbung beim Konsumenten hinausgeht halte ich für völlig überzogen.
Ja – wenn es vice versa ebenso wäre, dann würde ich dir sogar recht geben. Es geht auch nicht um die Werbung an sich, sondern um den Kontext dahinter.
Ist der immer noch zum Totlachen?
Ich finde die Werbung nicht gut, denn ganz egal, was sie ausdrücken soll, manche verstehen es einfach unterschiedlich. Es könnte auch so rüberkommen, als wenn das Normalität ist, dass solche Sachen mit Gewalt geregelt werden. Es fördert es sogar noch finde ich, denn es zeigt sozusagen indirekt einen (natürlich falschen) „Lösungsweg“ für solche Probleme. Man muss auch bedenken, dass Jugendliche auch diese Werbung schauen und die Werbung wird so dargestellt als sei es das normalste der Welt.
Ein schöner Kommentar, dem ich nur beipflichten kann.
Danke dafür, Melanie
Jugendliche machen aber nicht alles nach was sie in der Werbung bzw im TV sehen. Da kann man ja gleich alles von Arielle die Meerjungfrau über Spongebob bis Yogi Bär verbieten….
Hätte das Fernsehen solche Auswirkungen müsste ich ja nach dem Konsum von Bud Spencer Filmen, A-Team, Night Rider und sämtlichen Arnie Filmen ein Verkehrsrowdy und Gewalttäter sein.
Andererseits nach dem Konsum der Disney „klassiker“ als Kind dürfte ich heute nur noch singend durch die Gegend laufen. ;)
Auch die 1000ste szene wo ein Coyote einen ACME Amboss auf den Schädel bekommt hat mich nie dazu bewogen es nachzumachen…
Es gibt eine menge Gewalt im Fernsehen. Aber jeder Jugendliche kann Fernsehen und Reallife unterscheiden…
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Ich weiss nicht was ihr alle fürn problem habt …
[Rest wegen Irrelevanz und Vulgärsprache entfernt, da
es sich um sexuelle Phantasien handelt /emannzer]
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