In syntaktischer ‚Erwiderung‘ des Artikels: „Ich – die Mörderin„, nun mal eine Einzelfallbetrachtung. Eigentlich sind es mehrere und der Artikel durch weitere ergänzbar – wenn auch vor einem traurigen Hintergrund. Aber nun und zuerst die Selbsterkenntnisse einer Frau, als Zitat aus dem verlinkten Beitrags und sozusagen als Einstieg:

Geständnis einer Mutter. “ich bin eine Mörderin!”

Ich: “Was hat dich dazu bewegt deine Meinung zu ändern?”

Anna: “Mein Ex-Mann. Er hat sich vor einem halben Jahr das Leben genommen. Er schrieb einen Abschiedsbrief, in dem er sagte, er könne nicht mehr, ihm wurde alles genommen, was ihm wichtig sei und das von der Frau, mit der er Kinder gezeugt hatte. Ich war erschüttert, und suchte Hilfe und Rat bei den Personen, die mir in den Jahren zuvor geholfen hatten. Diese sagten “freu dich doch, ein Mann weniger, um den wir uns kümmern müssen” …

Das ist natürlich nur ein bedauerlicher „Einzelfall“, so kann man es mehrfach im Monat lesen. Und selbst der so genannte erweiterte Suizid, meist in den Medien als „Familiendrama“ bezeichnet, ist wohl auch nur so eine Randerscheinung.

Tatsache ist, dass wesentlich mehr Männer als Frauen obdachlos sind
– und dass die Selbstmordrate bei diesem Geschlecht absolut höher liegt.

Damit zum Thema: Tote Väter

Zum eingangs erwähnten Artikel gab es mehrere, selbst im Bekanntenkreis erlebte Suizide, die Leser im Beitrag erwähnten. Im Hinblick auf die Dimension dieses Blogs wirft es wohl die Frage auf, wie hoch die Dunkelziffer denn nun eigentlich wirklich ist. Und daher haben „Maddes8cht“ und ein „Anonymer“ Zusender (tbc.) jetzt die letzten Nachrufe. Es sind Tatsachenberichte, die man nicht mehr ignorieren kann. Auf Kursivschrift und ähnliches wurde daher bewusst verzichtet:

„MADDES8CHT“

Jemand hat mir erzählt, wie sich ein Mann schließlich vor der zugehörigen Frau das Leben genommen hat, also in ihrer Gegenwart.

Tenor der Aussage war dabei ausschließlich, zu betonen, wie rücksichtslos, kaltschnäuzig, egoistisch, bösartig und gemein es von dem Mann ist, der Frau das zuzumuten, zu sehen, wie er sich das Leben nimmt.

Selbst sowas tut ein Mann ja schließlich ausschließlich aus Bosheit, um der Frau richtig eins auszuwischen.

Irgend welches Mitgefühl für den Mann?

Was einen dazu treiben könnte, sich das eigene Leben zu nehmen? Ob daran etwas persönlich belastendes für ihn dabei gewesen sein könnte?

Nope.

„ANONYM“

Die Geschichte eines toten Mannes

Das, was nicht sein darf, das nicht sein kann, in unserer Republik und begegnet mir bitte nicht mit Geschichten, die mich in meiner Samstagnachmittagruhe stören und dem Glauben – denn er und mein Wille sind mein Himmelreich – das irgendwie in Deutschland alles doch noch in Ordnung ist.

So in etwa, möchte man unterstellen, mag die Mehrzahl wohl denken. Oder? Ich glaube schon.

Da äußert sich eine Frau, sie habe Gewissensbisse, weil ihr Ex – Mann wegen eines Kindesentzuges sich umgebracht habe. Wen interessiert denn so was? Und ob das überhaupt stimmt … Ein Kommentator kennt einen solchen Fall auch und erlebt, wie man dem Selbstmörder – ein hartes Wort für einen verzweifelten Menschen, der sich das Leben nahm – eben dieses zum Vorwurf gemacht hat: Den Selbstmord.

Ist auch recht einfach. Endlich hält er Ruhe. Er kann sich nicht mehr wehren. Nicht mehr nerven. Wo, verdammt nochmal, liegt eigentlich mein Leasingangebot vom Autohändler?

Nicht mal mehr gepflegt umbringen kann man sich, verdammt nochmal! Jetzt spucken diese Egomanen mir auch noch auf’s Grab. In die Hölle fahren sollen sie. Naja, das wird ein Anderer besorgen, der mehr kann als ich. Während eben Frau Frauenministerin Schwesig darüber faselt, dass das Recht eines Kindes auch darin bestünde, sich ein homosexuelles Paar als Eltern aussuchen zu dürfen und ihre Fans schreien : „Schwesig, for President“, könnt Ihr mich alle mal. Ich kann’s ja nicht mehr ändern. Für mich hat sich eh keiner interessiert. Nicht für meine Rolle als Vater. Als Mann. Als kranker Mensch und Rentner. Ich war wohl nicht bunt genug.

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Ich lasse diese Zeilen von einem Bekannten schreiben. Ich kann’s ja nicht mehr.
Ihn kannte ich nur kurz. Auf meine Entscheidung, freiwillig aus dem Leben zu scheiden, konnte er jedenfalls keinen Einfluss mehr nehmen.

Ich war ein ganz normaler Mann. Unauffällig. Manche sagten, ich sei sehr nett. Ein wenig naiv vielleicht. Mein Schwiegervater nannte mich einen Taugenichts. Ich bin immer meiner Arbeit nachgegangen. Bis mein Rücken verrückt gespielt hat. Dann habe ich noch ein wenig weiter gearbeitet, verlor aber bald meine Arbeitsstelle. Ich wurde Rentner. Berufsunfähig nennt man das. Keiner konnte mir helfen. Manche haben gesagt, es sei psychisch. Keine Ahnung. Die OP’s haben jedenfalls nicht geholfen. Höllische Schmerzen.

Die erklägliche Rente war natürlich wirklich nicht üppig. Meine Frau aber gut betucht. Ihr Vater zumindest hatte viel Geld. Einige Häuser dazu. Davon hatten wir auch Eines. Nach 25 Jahren Ehe hat mich meine Frau verlassen. Sie könne nicht mehr, hat sie gesagt. Als ob sie die Schmerzen gehabt hätte. Sicher hat sie das belastet. Ich hätte es ihr gerne abgenommen.

Meine Tochter blieb bei mir. Sie war ja schon 16. Meine Frau zog mit einem Neuen in den Nachbarort. Ein Haus ihres Vaters. Versorgt war sie. Besser als ich. Meine Tochter habe ich genauso geliebt, wie meine Frau. Irgendwie hatte ich leider den Eindruck, das meine Tochter mich mehr als Fahrdienst nutzte als als Vater. Aber kann ich meiner Tochter einen Vorwurf machen? So sind die Kinder eben. Sie wollen was erleben. Ich wollte es ihr möglich machen. Und nicht ganz alleine sein …

Leider überlegte sich das meine Tochter anders und zog mit 18 zu ihrer Mutter. Jetzt saß ich da. Alleine, in dem große Haus. Habe mich in eine Klinik einweisen lassen. Dreimal. Beim dritten Mal bin ich von alleine wieder gegangen. Man konnte mir nicht helfen. Der Zimmernachbar war nicht gerade das, was ich hier hätte noch zusätzlich aushalten können.

Ich hab’ mal eine geschiedene Frau gefragt, ob sie mit mir essen gehen möchte. Da hat sie mich angeblafft, was sie denn mit mir schon wolle. Dann habe ich keine mehr gefragt.

Meine Mutter wohnte direkt nebenan. In meinem Elternhaus. Sie hat sich zum Kaffee mit meiner Ex-Frau getroffen. Ich sah das Auto dort oft und lange stehen,. Ich saß in meinem Haus. Meine Mutter hat mich zu diesem Zeitpunkt verachtet. Warum nur? Sie hatte doch schon ein Kind verloren. Ich habe das nicht verstanden. Mir ging es doch einfach nicht gut und mir tat der Rücken weh. Immernoch.

Dann kam meine Frau und wollte das Geld für die Hälfte des Hauses. 80.000 Euro. Woher sollte ich die denn nehmen? Sie hatte doch schon so viel Geld. Wo soll ich denn hin, wenn man jetzt auch noch das Haus verkauft? Und selbst, wenn etwas Geld übrig bleibt für mich. Mir ging es doch nie um Geld. Was soll ich damit machen? Ich möchte doch einfach nur hier bleiben. Und jetzt will sie 80.000. Von mir. Dem Nichtsnutz. Dem Rentner mit den Rückenschmerzen.

Ich weiß nicht, wo jemand wie ich plötzlich so viel Mut her genommen hat. Hätte ihn besser in meinem Leben öfter mal gezeigt. Nach meiner eigenen Entlassung aus der Klinik habe ich mich umgebracht. Eine Waffe hatte ich natürlich nicht. Ich habe mich aufgehangen. In der Dusche. Es erschien mir der geeignete Ort. Dort hat man mich dann gefunden.

Ja, ich habe tatsächlich „hier oben“ mitbekommen was Ihr gesagt habt. „Wie ich das denn meiner Tochter habe zumuten können, wo sie doch gerade ihren Schulabschluss machte.“ Eine Freundin meiner Frau sagte: „Naja, er war halt krank.“ Ob sie den Rücken meinte? Oder meine Psyche? Na, jedenfalls habe ich mit meinem Entschluss alleine eine Entscheidung getroffen. Habe auch Verantwortung dafür übernommen. Ganz alleine, dieses Mal. Nicht so wie Ihr. Ihr betreibt nett Euren Verantwortungsexport. Ihr konntet dafür sorgen, dass es Euch gut geht. Ich leider nicht. So ist das wohl.

Nun könnt Ihr eure Hände in Unschuld waschen. Ich sei ja schließlich krank gewesen. Da kann man nichts machen. Das Haus habt Ihr verkauft. So kommt man halt ans Ziel. Irgendwie habe ich wenigstens zum Schluß gemerkt, wie die Welt funktioniert. Ihr. All die Gutmenschen. Mit Eurem übersteigerten Ego. Mit nichts kann man Euch erreichen. Nicht mal mit einem Selbstmord. Die Welt ist ja so einfach. Man muss sie sich nur einfach machen.

Aber Eines könnt Ihr mir nicht nehmen. Ich habe jetzt meine Ruhe. Und keine Rückenschmerzen mehr. Ihr, ja Ihr müsst sehen wie Ihr klar kommt. Wir werden es erleben …

Ob meine Geschichte stimmt? Das Menschen einem Selbstmörder dessen Tat noch zum Vorwurf machen? Sich selbst dann immernoch als Opfer sehen? Oh ja! Sie stimmt! Denn ich habe sie aufschreiben lassen. Von einem Mann, der nichts mehr tun konnte. Vielleicht aber im Nachhinein noch ein bißchen. Indem Ihr sie lest und verdammt noch mal – bitte – zukünftig Euer Gewissen und Euer Hirn einmal einschaltet. Nicht wegen mir. Mir geht’s jetzt gut. Aber für die Anderen um Euch herum. Für diejenigen, die vielleicht manchmal nicht in Eure Welt passen von „Selbstverwirklichung“, „Hedonismus“ und „Egoismus“ und vielleicht für Euren Kleingeist – vezeiht mir die harsche Ausdrucksweise, aber Ihr könnt es ja nicht mehr verhindern – eine Bereicherung wären.

Würdet Ihr die Augen aufmachen.

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„FISCH+FLEISCH“

In einem Abschiedsbrief legte er laut Polizei ein Geständnis ab und nannte die Gründe für den erweiterten Suizid: der Streit um das Sorgerecht und die Trennung, über die er nicht hinwegkam.

Ich kenne diese Situation aus eigener Erfahrung und weiß, wie verzweifelt man sein kann, wenn einem ohne jeden Grund, die Kinder vorenthalten werden. Auch ich hatte in den schwersten Zeiten Suizidgedanken. Nicht auf meine Kinder bezogen, nur auf mich. Ich bin anders damit umgegangen, aber das war nicht leicht. Es braucht einen sehr starken Charakter, um diese Strapazen wegzustecken, um den Verlust seiner eigenen Kinder zu verkraften. Das schafft nicht jeder, und jeder verarbeitet es anders. Vielleicht war er und viele andere, einfach nicht stark genug, dies durchzustehen. So kann ich die Tat nicht gutheißen, aber ich kann die Verzweiflung, die Ohnmacht und die Trauer dahinter nachempfinden.

Auch in allen anderen Fällen, darunter Väter, die ich persönlich kannte, waren die meisten gestandene Männer, fest im Leben verankert, denen der Boden unter den Füßen weggezogen wurde.

(mit Dank an Elmar Diederichs für den Link zum Magazin-Beitrag)


Nachtrag Emannzer: Falls jemand noch solche Fälle kennt, bitte posten.

Weiterführendes: Als Mann ist man wirklich der Arsch
Michael Klein über die existierende Misandrie im Bundestag